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Kapitalismuskritik vs. Staatsgefährdung

Kapitalismuskritik vs. Staatsgefährdung  (12. Januar 2020)

 
Geld regiert die Welt – jede*r hat diesen Satz schon gehört und inzwischen wird mehr und mehr Menschen klar, wieviel Wahrheit in diesem Satz steckt und wieviel Gefahr in dieser Wahrheit steckt.
Geld regiert die Welt – genau das ist es, was Kapitalismus bedeutet. Kapitalismus ist eine Form der Wirtschaft und Gesellschaft auf der Grundlage des freien Wettbewerbs und des Strebens nach Kapitalbesitz des Einzelnen. Diese Wirtschaftsform beruht auf Privateigentum an den Produktionsmitteln und einer Steuerung von Produktion und Konsum über den Markt. Hauptmerkmale und Leitprinzipien des Kapitalismus sind die Akkumulation ( = die durch Reinvestition des auf dem Markt realisierten Mehrwerts vorangetriebene Erweiterung des Kapitals), freie Lohnarbeit und das Streben nach Gewinn im kontinuierlichen, rationalen kapitalistischen Betrieb.
Was bedeutet Kapital? Unter Kapital wird in diesem Zusammenhang einerseits der Bestand an Produktionsmitteln verstanden, der zur Güter- und Dienstleistungsproduktion und damit der Erwirtschaftung von Gewinnen eingesetzt werden kann. Andererseits versteht man unter Kapital eine größere (von einer bestimmten Stelle stammende, für einen bestimmten Zweck vorgesehene) Summe Geld.
So trocken und theoretisch die Auseinandersetzung mit diesen Begrifflichkeiten ist, so wichtig ist sie. Wir müssen wissen, in welcher Realität wir leben, was hinter Begriffen steckt und warum der Kapitalismus das Problem ist, welches unlösbar ist, so lange wir nicht denken und aussprechen (dürfen), dass wir ihn abschaffen müssen. Der Kapitalismus beinhaltet keine Probleme, die wir durch einzelne Anpassungen und Veränderungen lösen können. Der Kapitalismus ist das Problem, welches in sich selbst nicht gelöst werden kann. Genau aus diesem Grund ist der „grüne Kapitalismus“ nichts weiter als ein Märchen, und zwar ein düsteres. Es spielt im Kampf um Klimagerechtigkeit keine Rolle, wenn Autos auf unseren Straßen kein CO2 mehr ausstoßen, wenn für die Produktion der Elektroautos aber weiterhin Natur zerstört und Lebensraum vernichtet wird, Menschen und Tiere ausgebeutet, vertrieben und getötet werden. Grüner Kapitalismus ist noch immer Kapitalismus und wir dürfen diesem nur scheinbar verheißungsvollen Lügenmärchen keinen Raum geben.
Wir alle, die wir auf diesem Planten leben, Menschen, Tiere, Natur, unser Planet selbst, wir alle haben also ein gewaltiges Problem, welches uns und unseren Planeten wortwörtlich auffrisst. Wir vernichten uns gerade selbst, wir wissen es und wir hören doch nicht damit auf – weil es der Kapitalismus nicht vorsieht. Von außen betrachtet, müssen wir ziemlich dumm und idiotisch aussehen, ein tragisches Bild, welches den Mythos des „Menschen als Krönung der Schöpfung“ mehr als nur lächerlich und unglaubwürdig erscheinen lässt.
Langsam, aber sicher erkennen mehr und mehr von uns diese Absurdität und dieses Problem. Und als ob wir in Anbetracht seiner Größe, Dramatik und Komplexität nicht schon genug Aufgaben vor uns hätten, stehen wir vor einem weiteren, nicht minder gefährlichen: der Kapitalismus schützt sich selbst.
Die von uns, die seine Abschaffung fordern und einen Systemwandel anstreben, gelten als linksextrem, unsere Ansichten und Forderungen werden als staatsgefährdend eingestuft. Staatsgefährdend – welch ein schwerwiegender und (angesichts der drohenden Repressionen) einschüchternder Vorwurf.
Allerdings wird dadurch nur umso offensichtlicher, wie weit der Einfluss des Kapitalismus reicht, wie eng die Verbindungen von Staat und Wirtschaft sind.
Unsere Staatsform ist die Demokratie, nicht der Kapitalismus! Wir fordern die Abschaffung einer Wirtschaftsordnung. Wie kann es sein, dass wir deshalb als Staatsgefährder bezeichnet und behandelt werden?
Eine Demokratie ist ein politisches Prinzip, nach dem das Volk durch freie Wahlen an der Machtausübung im Staat teilhat. Zu den Prinzipien der Demokratie gehört die freie Meinungsäußerung. Eine Demokratie ist ein Regierungssystem, in dem die vom Volk gewählten Vertreter die Herrschaft ausüben, in dem Macht und Regierung somit vom Volk ausgehen, welches entweder unmittelbar oder durch Auswahl entscheidungstragender Repräsentanten an allen Entscheidungen, die die Allgemeinheit verbindlich betreffen, beteiligt wird.
Der Kapitalismus wird im Rahmen der Definition von Demokratie nirgendwo erwähnt. Er ist kein essenzieller Bestandteil, geschweige denn eine Voraussetzung oder Notwendigkeit für Demokratie. Demokratie zeichnet sich durch das Recht auf freie Meinungsäußerung aus. Diejenigen, die ihre Meinung frei äußern und die Abschaffung des Kapitalismus fordern (und dies sehr gut begründen können), verhalten sich also sehr demokratisch. Das gilt ebenso für die Millionen Menschen weltweit, die auf Straßen, in Kohlegruben und Wäldern, auf Schienen und vor Konzernzentralen ihr Recht einfordern, an Entscheidungen beteiligt zu werden, die darauf bestehen, dass Macht und Regierung vom Volk und nicht von Konzernen und Kapital ausgehen. Wir handeln also im besten Sinne demokratisch, weil wir Demokratie leben, die Einhaltung ihrer Prinzipien einfordern und uns sicher auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen.
Die von uns gewählten Vertreter und die inzwischen riesigen, in ihren Interessen und Verwicklungen undurchsichtigen Konzerne sind in zu vielen Fällen diejenigen, die staats-, weil demokratiegefährdend handeln. Ganz zu schweigen davon, dass wir uns über Demokratie und Staat keine Gedanken mehr machen müssen, wenn unsere Lebensgrundlagen zerstört sind und unser Überleben dadurch unmöglich geworden ist, wenn es zunehmend zu Kämpfen um immer knapper werdende Ressourcen kommt.
In einer Demokratie geht alle Macht vom Volk aus. Welch ein gewaltiger Satz.
Wir wählen diejenigen, die in unserem Interesse handeln sollen. Wir können sie wieder abwählen, ihnen unsere Unterstützung entziehen und verweigern. Dieser Macht müssen wir uns wieder bewusst werden, wir müssen sie einfordern und einsetzen. Viele der von uns gewählten Vertreter*innen handeln schon lange nicht mehr in unserem Interesse. Sie handeln in ihrem eigenen und in dem von Konzernen und deren Streben nach Profit. Sie handeln im Interesse des Kapitalismus, nicht im Interesse der Demokratie.
Es ist wichtig und dringend notwendig, dass immer mehr Menschen den Mut finden, ihre Meinung auszusprechen, die Abschaffung eines fehlgeschlagenen Wirtschaftssystems fordern und sich trauen, darüber nachzudenken und zu diskutieren, wie es anders gehen kann. Es ist ebenso erforderlich, dass Menschen Widerstand leisten gegen den Kapitalismus, seine Interessen und Vertreter*innen. Diejenigen unter uns, die sich das schon jetzt trauen, haben somit eine weitere wesentliche Aufgabe: Empowerment – Ermächtigung, Stärkung, Befähigung von vielen weiteren Menschen, denn wir müssen mehr werden. Nicht nur auf Seiten der Klimakatastrophe gibt es Kipppunkte. Es gibt sie ebenfalls auf unserer Seite und wir müssen sie erreichen.
Deshalb müssen wir informieren, Aufklärungsarbeit leisten, Mut zusprechen und selbst mutig vorangehen, auch wenn das bedeutet, Repressionen auf uns zu nehmen. Wir müssen weiter Wälder besetzen, Kohleinfrastruktur blockieren und uns Konzernen widersetzen. Wir müssen den Hambacher Forst und die Dörfer am Rande von Kohlegruben retten, Datteln 4 darf ebenso wenig ans Netz gehen, wie Adanis neue Kohlemine Wirklichkeit werden darf. Es gibt sie, die großen, wichtigen Symbole und wenn wir bei diesen erfolgreich sind, werden weitreichende Konsequenzen folgen, weil wir „unsere“ Kipppunkte erreichen.
Der Weg dahin mag uns manchmal zu lang, zu schwer und zu gefährlich erscheinen und vielleicht auch sein. Gehen müssen wir ihn trotzdem. Dabei sollten wir uns auf etwas verlassen, was gleichermaßen an Einfluss und Gewicht gewinnt: Solidarität. Der Begriff beschreibt eine Zusammengehörigkeit, eine starke Verbundenheit, wodurch sich eine Gemeinschaft bildet. Das Gefühl der Solidarität vermittelt eine Sicherheit und eine Stärke, die es leichter macht, sich auf den anderen zu verlassen, seine Meinung zu teilen und zu vertreten. Es gibt Faktoren, die Solidarität begünstigen: Glaubwürdigkeit, Loyalität, gemeinsame Werte. Die gemeinsamen Werte und unsere Wertvorstellungen sind außerdem unser bester Schutz gegen rechtes Gedankengut, gegen Rechtsextreme und Nazis, die wir unmissverständlich ausgrenzen müssen.

“Ich war Extinction Rebellion”…

“Ich war Extinction Rebellion”…      (8.Oktober 2019)

…jetzt bin ich skeptisch.
Nun läuft sie also die Rebellion Week, u.a. in Berlin. Ich habe mir in den letzten Wochen den Kopf über Extinction Rebellion zerbrochen. Ich bin noch immer nicht fertig damit und genau das ist auch der Grund warum sie läuft, die Rebellion Week, während ich zu Hause bin und mich nun entschieden habe, auch noch einen Beitrag zu diesem viel diskutierten Thema zu schreiben.
Ich habe mir eine Ortsgruppe gewünscht, denn ich habe mich fesseln und begeistern lassen, von den Bildern aus London und mehr und mehr Städten überall auf der Welt: bunt, ungehorsam, fröhlich, auffallend, störend. Wie mir ging und geht es vielen, das merkte ich auch im Prozeß der Gründung unserer Ortsgruppe: zum Plenum kommen viele Menschen, immer wieder gibt es Anfragen, jede*r scheint wie elektrisiert auf Extinction Rebellion zu warten. Die Arbeit, die im Aufbau einer Ortsgruppe und der Planung und Vorbereitung einer Aktion steckt, möchten aber zu oft nur wenige aktiv in Angriff nehmen. Das war einer der ersten Punkte, der mir den Spaß an der Rebellion etwas trübte. Während ich also – teils gezwungenermaßen, teils aus Notwendigkeit – tiefer in die nationalen Strukturen einstieg, kam ich sehr schnell an den Punkt, an dem das Grübeln und Zweifeln begann. Während ich anfangs nur den Zivilen Ungehorsam sah (eine Aktionsform, die ich sehr schätze) und die Idee, diesen in die Städte zu tragen, logisch, konsequent und gut fand (und auch nach wie vor finde), verstand ich die seitens anderer Gruppen mehr und mehr geäußerte Kritik an XR nur bedingt. Das änderte sich! Die Kritik von Gruppen wie Ende Gelände ist ebenso gerechtfertigt und nachvollziehbar wie die, aus dem Hambacher Forst und von zahlreichen einzelnen Aktivisten*innen. XR positionierte sich diesen Menschen gegenüber sehr überheblich und abgrenzend, distanzierte sich, statt die Kraft der Klimagerechtigkeitsbewegung durch Solidarisierung weiter zu stärken. Oft waren es unglückliche Formulierungen, aber oft steckt der Fehler eben doch im System: keine konkreten Forderungen und Vorschläge, absolute Anschlußfähigkeit in alle Richtungen, die Entstehung, die eigentlich keine ist, sondern einer bis ins kleinste Detail strategisch geplanten Operation gleicht, die im Hintergrund involvierten Firmen, Organisationen, der Gründer selbst, fehlende Systemkritik…Die Liste der Kritikpunkte wurde in den letzten Tagen und Wochen oft diskutiert. Dann kam Hamburg und es geschah “Sitzenbleiben”, die merkwürdige Umfrage im Vorfeld der Rebellion Week schloß sich nahtlos an. Es gab Entschuldigungen, Erklärungen, auf Kritik wurde reagiert, Dinge korrigiert, aber meine Distanziertheit ist geblieben. Den einzelnen Ortsgruppen mag man mit all der Kritik vermutlich oft Unrecht tun, denn dort sammeln sich motivierte Menschen, die das Richtige tun wollen. Aber das Bündnis selbst ist momentan keines, mit dem ich mich uneingeschränkt identifizieren, dem ich mich bedenkenlos anschließen und mit dem ich ruhigen Gewissens in den Zivilen Ungehorsam gehen kann. Und während ich aufgrund meiner Ende Gelände-Erfahrungen auf mein Bauchgefühl vertrauen kann, weiß ich, dass vielen dieses Bauchgefühl fehlt und hier eröffnet sich ein weiterer großer Kritikpunkt: XR zieht momentan unfassbar viele Menschen an, Menschen, ohne jegliche Erfahrung mit politischem Protest, mit Zivilem Ungehorsam und Polizeikontakt. Menschen, die von all den Bildern und Videos angezogen werden und nun auch Teil dieser Bewegung, dieses Kampfes für das Gute und Richtige sein wollen und das bei XR im Prinzip sofort in die Tat umsetzen können. Aktionstrainings können diesen Menschen kurz vor Blockadeaktionen verpasst werden, aber es fehlt die Zeit, damit sich jede*r Einzelne wirklich mit der Organisation selbst, der Kritik, den Strukturen und Hintergründen auseinandersetzen kann. Es gibt oft keinen Gruppenfindungsprozeß, kein Ankommen in einer Ortsgruppe, in der man seinen Platz findet, die Menschen kennenlernt, Dinge und Vorgehensweisen hinterfragt, lernt und wächst, ehe man in eine Aktion geht. XR ist sofortige Aktion und das ist eben auch gefährlich. Ich wünsche den Menschen, die momentan in Berlin und anderen Städten auf der Straße sind viel Erfolg und ich hoffe, für keine*n kommt das böse Erwachen, wenn aus den bunten, fröhlichen Bildern und utopischen Herangehensweisen auf einmal eine handgreifliche Räumung wird oder in ein paar Wochen Briefe von Polizei und Staatsanwaltschaften zu Hause ankommen. Ich freue mich, wenn Menschen, Regierungen und Städte wachgerüttelt, gestört und zum Handeln gezwungen werden, aber ich habe meine Zweifel. Und abgesehen von all dem bleibt eine Frage, auf die ich keine Antwort finde: was dann? Was bleibt nach den Blockaden, wenn es keine konkreten Forderungen gibt, an denen man sich abarbeiten, die man diskutieren, an und für deren Umsetzung man arbeiten kann?
Ich habe den Hambi gesehen und es war Liebe auf den 1. Blick – zum Wald, den Menschen, dem Kampf, der dort vielfältig geführt wird. Ich wollte Teil davon sein und helfen, damit all das erhalten bleibt. Daran gab es keine Sekunde den geringsten Zweifel, das ist bis heute so.
Ich habe Ende Gelände kennengelernt und es war Liebe auf den 1. Blick – zum Bündnis, den Ideen und Zielen,

Thüngersheim – auch ein Schauplatz der Klimakrise

Thüngersheim – auch ein Schauplatz der Klimakrise       (Juli 2019)
 
 
Die Gruppe keinhamehr aus Würzburg hat sich vor gut einem Jahr gegründet, um ca. 10 ha Wald vor der Rodung für eine Steinbrucherweiterung zu retten. Inzwischen sind weitere Projekte hinzugekommen, aber der Wald in Thüngersheim muss noch immer vor der Zerstörung bewahrt werden. Ob uns das zumindest in Teilen gelingt, steht in den Sternen, für Verzögerungen und Aufmerksamkeit haben wir gesorgt und jetzt, nach der Ende Gelände – Aktion 2019, sind wir motiviert & rebellisch zurück, um lokal wieder mit unserer ganzen Kraft weiterzumachen.
Hier unser heutiges Statement:
 
Hohe Waldbrandgefahr in Nordbayern aufgrund der lang anhaltenden Hitze und Trockenheit: fast Flächendeckend wird die höchste Gefahrenstufe ausgerufen. Der Alarmplan für Gewässerökologie tritt in Kraft. Die Wassertemperatur des Mains erreicht zunehmend ein kritisches Niveau, der Sauerstoffgehalt sinkt zunehmend, die im Wasser lebenden Tiere sind gefährdet. Unterfranken kämpft mit einem Extremwetterphänomen. Gleichzeitig werden Klimakrise und Umweltzerstörung weiter vorangetrieben. Die Firma Benkert bereitet sich auf weitere Rodungen in Thüngersheim vor. Mit Beginn der Rodungssaison im Oktober sollen dort rund 4 Hektar Wald dem Steinbruch weichen. Im vergangenen Jahr sind bereits 5,86 ha gerodet worden.
Der vorläufige Rodungsstopp vom letzten Herbst ist beendet. Mittlerweile hat die Firma Benkert genügend Ausgleichsflächen, um weiter roden zu können. Obwohl sich die Gemeinde Waldbüttelbrunn gegen eine Vergabe von Aufforstungsflächen auf ihrer Gemarkung gewehrt hat, entschied das Landratsamt, das Votum der Gemeinde zu überstimmen und den Bürger*innen von Waldbüttelbrunn und Thüngersheim die Genehmigung aufzuzwingen.
Die rund 10 Hektar Wald, die in Thüngersheim gerodet werden, sind in 14 einzelne Aufforstungsflächen aufgesplittert worden, davon die Hälfte unter 0,1 ha – die kleinste 0,08 ha, das sind 20×40 Meter. Von der Behörde gibt es keine konkrete Mindestgröße für Aufforstungsflächen. Auf eine Anfrage hin erhielten wir die Antwort, “es müsse nur ein Wald-charakterstisches Klima entstehen können” – was das genau heißen soll, bleibt unklar. Letztendlich werden hier und da ein paar Bäume gepflanzt. Bei der durchgängigen Trockenheit ist eine Neuanpflanzung unmöglich, eine Bewässerung der Baumsätzlinge sehen die Auflagen nicht vor und wird daher nicht vorgenommen. Das heißt: einen Ausgleich für den gerodeten Wald werden wir nicht bekommen. 10 Hektar Wald werden uns gewaltsam entrissen und die Verantwortlichen verstecken sich hinter Gesetzen und Paragraphen.
Es geht in Thüngersheim nicht nur um die Klimarelevanz des Waldes, den zerstörten Lebensraum und die enteigneten Bürger*innen. Es geht um einen grundsätzlichen Umgang mit der Natur, von der wir stärker abhängen, als die meisten zugeben wollen. Es geht um ein System, das den wirtschaftlichen Interessen den roten Teppich ausrollt und dabei die Bürger*innen und selbst demokratisch gewählte Vertreter*innen vor den Kopf stößt. Es ist ein System, in dem man mit legalen Mitteln schnell an die Grenzen stößt und bei Regelübertritten für eine richtige Sache angeklagt und verurteilt wird. Der Kampf in Thüngersheim ist mehr als der Kampf um ein Stück Wald. Es ist eine Konfrontation mit dem kapitalistischen System, das Umweltzerstörung und Klimakrise für seine Zwecke billigend in Kauf nimmt.
Deshalb wird der Protest weitergehen. Wenn die Rodungsaison beginnt, kämpfen wir nicht nur für den Erhalt des Waldes, sondern auch für ein klimagerechtes System.

Ende Gelände – Eine große Liebe

Ende Gelände – Eine große Liebe                        (28.6.2019)

Ja, ich liebe Ende Gelände und war dabei, als sich meine Ortsgruppe gründete. Obwohl ich manchmal nicht weiß, wo mir vor lauter Arbeit und Aktivismus der Kopf steht, kann ich es kaum erwarten, bis endlich auch Extinction Rebellion hier bei mir am Start ist. Ich bin lokal engagiert, aber auch außerhalb meines „Einzugsgebietes“. Trotzdem bin ich oft frustriert, ich bin sauer, weil ich in jeder Nachrichtensendung täglich mit einer Sache konfrontiert werde: es wird an den entscheidenden Stellen nicht gehandelt. Jeder Tag verstreicht und es passiert nichts. Was ist los mit all denen, die an den „Hebeln der Macht“ sitzen, die es in der Hand haben, den großen Wurf zu landen, große Schritte zu gehen und große Veränderungen auf den Weg zu bringen? Was zum Teufel läuft falsch bei euch, dass ihr uns zustimmt, viele Worte verschwendet, die toll klingen und anfangs auch Anlass zur Freude waren, Hoffnung gaben, weil man euch glaubte & davon ausgegangen ist, dass ihr verstanden habt und handelt, weil alles andere idiotisch und geradezu selbstzerstörerisch ist. Inzwischen will ich nichts mehr hören, kein Lob mehr, keine Zustimmung, keine leeren Versprechungen. Behaltet euren Scheiß für euch! Ich glaube euch kein Wort mehr! Wir alle, die wir demonstrieren, laut werden, aktiv werden, zivilen Ungehorsam begehen, sogar zu Straftätern werden – wir glauben euch nicht mehr! Euer Nichtstun, eure leeren Versprechungen, eure gebrochenen Verträge und Abkommen, überschrittenen Grenzwerte und Lippenbekenntisse radikalisieren mich!
Ihr – unsere gewählten Vertreter, die Unternehmensbosse, die unter euch, die uns auf Demonstrationen vom Rand aus beschimpfen oder applaudieren, alle, die auf den diversen social media – Kanälen Lügen verbreiten, uns diskreditieren, verhöhnen, bedrohen – ihr alle radikalisiert mich und all jene, die sich engagieren. Und genau deshalb liebe ich Ende Gelände und alle Gruppen, die handeln! Es steht in den Sternen, ob wir gewinnen, aber wir versuchen es verdammt nochmal! Je frustrierter ich bin, je näher dran am Aussteigen oder Ausrasten, am Aufgeben und Verzweifeln, desto dankbarer bin ich für meine Ortsgruppe, für die Aktivisten hier in meinem Umfeld und überall auf der Welt. Ohne euch wäre ich schon längst durchgedreht! Ich kann nicht abstreiten, dass es an manchen Tagen mehr als (im negativen Sinne) überwältigend ist, politisch aktiv zu sein, denn einmal angefangen ist es, als hätte man die Büchse der Pandora geöffnet, man wird überhäuft mit schlechten Nachrichten, mit Anfragen, ob man hier oder dort „etwas tun kann“. Für jedes Projekt, dem man sich annimmt, kommen 27 weitere hinzu und man muss sich ganz schnell eingestehen, dass man es nicht schaffen kann, dass es unmöglich ist. Aber aufgeben ist innerhalb einer Gruppe, die sich einem Ziel verschieben hat, keine Option! Und so ist es egal, ob man mit 20 Leuten für einen lokalen Wald demonstriert, mit 4 Leuten ein Banner aufhängt, zu 6. ein Plenum abhält oder mit 6000 Leuten Kohleinfrastruktur lahmlegt – man geht raus und tut es und man fühlt sich gut dabei, weil es sein muss, um nicht auszurasten, um die Welt zu retten oder zumindest nicht kampflos unterzugehen. Danke, Ende Gelände! Danke an all die anderen großen und kleinen Gruppen, die sich gefunden haben und noch finden. Danke, dass es euch gibt! Es ist egal, ob ihr auf die Straßen geht, Petitionen startet, Gemeinderäte und Stadträte besucht, Baumhäuser baut, Bagger besetzt oder auf andere Art dem System der Nichtstuer den Mittelfinger zeigt! Hauptsache, ihr tut es!
An alle unter euch, die noch überlegen, die sich alleine, überfordert und machtlos fühlen: seid wütend und sucht eure lokale Aktivistengruppe! Ihr werdet eine finden! Habt keine Angst, geht hin, sagt „hallo“ und macht mit! Seid meinetwegen wütend und frustriert, aber nutzt diese Emotionen! Es mag abgedroschen klingen, aber es stimmt: in der Gruppe ist man weniger allein und Aktivismus wirkt: im Großen, wenn Bagger stoppen und im Kleinen, wenn man nachts zumindest hin und wieder schlafen kann.