Strafvollzug ist nicht reformierbar – warum wir knäste abschaffen müssen

Einblicke in den Knastalltag sind recht selten, zumindest die ungeschönten, die Rassismus und LGBTQIA+ – Feindlichkeit, die kleinen und großen Schikanen benennen. Es fehlen die Einblicke, die nicht als Werbeplattform für das Justizsystem herhalten sollen. Das liegt zum einen am Thema selbst – es ist mit Scham beladen, Mensch will vergessen und weitermachen, wenn die geschlossenen Türen endlich hinter einem liegen. Viele haben dann aber einfach ganz andere Probleme, die zu lösen sind, an denen oft leider auch gescheitert wird: Wohnung, Job, Alltag, Krankenversicherung, Rückkehr zu Familie und Freunden…

Aber die Diskussion über den Strafvollzug, über Knäste als alternativlose Lösung und über die Abschaffung dieser muss in Gang kommen, denn sie ist mehr als nötig.

Deshalb gehe ich den Weg und teile Erfahrungen von „drinnen“. Das versuche ich einigermaßen geordnet, in einzelnen Beiträgen zu bestimmten Aspekten. Ich habe keine Ahnung, wohin das führt, was es mit mir machen wird und ob es mir gelingt, aber es ist ein Experiment – einerseits um selbst Dinge zu verarbeiten, andererseits angespornt durch und in Solidarität mit Menschen, die aufgrund von ZU-Aktionen aktuell vermehrt selbst diesen Weg gehen müssen, immer häufiger sogar ohne rechtskräftige Verurteilung als Präventivmaßnahme. Sie brauchen eine Stimme, sie brauchen Unterstützung und vor allem brauchen wir alle zunächst einmal Einblicke, um uns dann möglichst zahlreich wiederzufinden im Protest und Kampf gegen dieses System, das mehr Probleme schafft, als es löst, das stigmatisiert und traumatisiert.

Wenn alle juristischen Optionen ausgeschöpft sind und klar ist, was kommt, beginnt der Albtraum mit dem Strafantritt in der JVA. Innerhalb der JVA wird von einem Zugang gesprochen und dieser Vorgang ist ein demütigender, erniedrigender und emotional extrem belastender, der Spuren hinterlässt, dauerhaft. Es ist nicht das Einzige, was Spuren hinterlässt, aber es ist der 1. Einschnitt, der gesetzt wird und der das Leben in „davor“ und „danach“ aufteilt.

Ist das Tor der JVA einmal hinter Dir geschlossen, wirst Du zu einer Nummer. Mit jedem Schritt weiter ins Innere lässt mensch einen Teil Individualität hinter sich, nicht freiwillig, sondern erzwungen, denn mensch geht im wahrsten Sinne des Wortes nackt in die JVA. Ohne Papiere, ohne irgendwelche persönlichen Dinge, ausgestattet mit einer Gefangenenbuch-Nummer und nur noch den Klamotten, die man am Leibe hat, steht mensch am Ende mit zwei Beamtinnen in der sogenannten „Kammer“. Dort werden alle persönlichen Dinge gelagert, in Kartons und einem Kleidersack. Hier muss nun auch die Kleidung abgegeben werden. Das bedeutet: komplett ausziehen, Arme hoch, in die Hocke gehen und nackt warten, während Beamtinnen unter Scherzen z.B. über die gebuchte Vollpension versuchen, den Computer mit allen erforderlichen Daten zu füttern. Es werden Fotos gemacht. Ich habe während dieser Prozedur wiederholt und immer eindringlicher darum gebeten, zur Toilette gehen zu dürfen und einen neuen Tampon zu bekommen, denn auch die mitgebrachten Hygieneartikel werden nicht ausgehändigt. Ich werde vertröstet und stehe da minutenlang in Erwartung des Blutes, das mir jeden Moment die Beine runterlaufen könnte. Als sie mich dann endlich zur Toilette lassen, werde ich von einer Beamtin begleitet, Türen bleiben offen, alles erfolgt unter Beobachtung und obwohl meine Strafe nichts mit Drogen zu tun hat (Verhinderung einer Abschiebung und Tierbefreiungen), ist eine Urinkontrolle Pflicht.

Die „Eingangsuntersuchung“ am Tag darauf beschränkt sich auf die Frage nach vorliegenden Erkrankungen, bekannten Allergien und der Wahrscheinlichkeit für einen Selbstmordversuch. Das ist bereits ein Vorgeschmack auf die ärztliche Versorgung in Haft.

Dann endlich bekomme ich wieder Klamotten ausgehändigt, alles abgezählt, alles nicht wirklich passend, alles einheitlich. Warum auch immer ist es in “meiner” JVA üblich, dass weiblich gelesene Gefangene in der Kammer zunächst nur einen Rock bekommen und in diesem durch die Haftanstalt bis auf die Station geführt werden. Eine Hose gibt es dann erst dort.

Außerdem bekommt mensch in einer verranzten Plastikbox einen Messbecher, 1 kg Zucker, 1 Glas Marmelade, Besteck, 1 Tasse, eine Blechschüssel, die aussieht wie ein Futternapf für Hunde und ein dreigeteiltes Tablett aus demselben Material wie die Hundefutterschüssel.

Zunächst steht aufgrund von Covid-Maßnahmen die Quarantäne an, Einzelhaft, 23 Stunden am Tag ohne Kontakt eingesperrt auf ca. 8 m². Wer bereits doppelt geimpft ist, soll eigentlich nur 5 Tage hier bleiben müssen, am Ende werden es 10. TV und Wasserkocher sind hier noch inklusive, später wird das Geld kosten, ebenso wie Duschgel, Zahnpasta und Zahnbürste. Telefonate sind nicht möglich.

Die Zelle: 1 Tisch, 1 Stuhl, 1 Schrank, 1 Regalbrett, 1 Pinnwand (und nur dort dürfen Fotos aufgehangen werden), 1 Bett, auf dem sich gleich schon erste Hakenkreuze finden, Bettwäsche ohne Knöpfe (erleichtert die Kontrollen), 1 Waschlappen, 4 Handtücher, 2 Geschirrtücher, nur kaltes Wasser, keine Vorhänge, Flutlicht und Kameras draußen im Hof, vergitterter Ausblick auf Zäune, Stacheldraht und Mauern.

Mensch wird wie aus dem Maschinengewehr mit dem Ablauf in der JVA bombardiert, unfähig alles aufzunehmen. Was hängen bleibt, ist die mehrfach wiederholte Drohung, die Notruf-Anlage ja nicht zu missbrauchen und diese wirklich nur im Falle eines „echten Notfalls“ (was ist ein „echter Notfall“?) zu benutzen, da sonst Strafen drohen.  Duschen und Zelle putzen immer Montag, Mittwoch und Freitag zwischen 6:00 – 6:30 Uhr, 1 Stunde Hofgang gegen 7:00, je nachdem, wie die Beamtinnen Zeit haben.

Es wird noch gestattet, sich ein Buch vom „Wühltisch“ im Gang zu nehmen, eine Packung Tee und etwas Papier, sowie einen Kugelschreiber.

Dann ist die Tür zu, Schlüssel drehen sich und es kommt der Moment zu realisieren, wo Du bist. In diesem Moment brechen viele, auch die, die nicht zum 1. Mal hier sind. Das ist manchmal überall zu hören – Weinen, Tränen, Schreie, Wut und Verzweiflung.